Haushaltsrede von Wolfgang Lenz

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

schon seit Jahren stehen die öffentlichen Haushalte unter einem permanenten Stresstest. Allerdings wird der Haushalt 2023 nur noch in geringem Maße durch die wirtschaftlichen Unsicherheiten der Corona-Pandemie beeinflusst. Die Herausforderungen der Corona-Pandemie hat die Gemeinde Biebertal durch sparsame Haushaltsführung einerseits und umfangreichen Hilfszahlungen des Bundes und des Landes gut gemeistert. Jetzt steht der Haushalt 2023 durch den Krieg in der Ukraine und den damit verbundenen Auswirkungen, insbesondere im Bereich der Energieversorgung, vor neuen Herausforderungen.

 

So betrug der Planansatz für die Energiekosten (Strom, Gas, Fernwärme, Heizöl, Treibstoffe) für das Haushaltsjahr 2022 noch rd. 375.000,00 €. Für das Jahr 2023 ist jetzt ein Betrag in Höhe von rd. 600.000,000 € vorgesehen. Eine Steigerung von 60%.

 

Ein Anstieg ist auch bei den Personalaufwendungen der Gemeinde Biebertal zu verzeichnen. Im Vergleich zum Jahr 2022 steigen die Personalaufwendungen von rd. 4,85 Mio. € auf 5,18 Mio. €. Eine Steigerung um rd. 330,000,00 €. Ursachen hierfür sind 2 zusätzliche Stellen in der Bauabteilung und im Bürgerbüro. Darüber hinaus werden erstmals für das gesamte Kalenderjahr die vom „Gute-Kita-Gesetz“ vorgegebenen Personalvorgaben ausgewiesen. Seit dem 01.08.2022 ist das „Gute-Kita-Gesetz“ verbindlich umzusetzen. Der Anteil an Personalkosten für die gemeindlichen Kindertagesstätten liegt bei über 1,1 Mio. €.

Zu kritisieren ist in diesem Zusammenhang, dass die Zuweisungen für die Betriebskosten der Kindertagesstätten durch das Land Hessen nicht Schritt mit dem starken Anstieg bei den Kinderbetreuungskosten halten, so dass der größte Teil des Aufwandes für die Anhebung auf die vorgegebenen Mindeststandards von der Gemeinde Biebertal allein getragen werden muss.

Bereinigt um die Zuschüsse von Bund und Land stellt die Gemeinde Biebertal im Ergebnishaushalt in 2023 rd. 2,8 Mio. € für die Kinderbetreuung zur Verfügung. Bund und Land unterstützten jedoch nur mit etwas über 1 Mio. Die SPD-Fraktion fordert, dass es bei der Finanzierung der Kinderbetreuung endlich zu einer strukturellen Entlastung der Kommunen kommen muss. Bund und Land müssen hier ihrer Verantwortung gerecht werden.

Mit dem Haushalt 2023 setzt die Kooperation von Bündnis 90/Die Grünen, CDU und SPD die Entwicklung Biebertals konsequent fort.

 

Zusätzlich werden 1,65 Mio. € für den Neubau der Stützpunktfeuerwehr und  1,2 Mio. € für den Neubau des Bauhofs bereitgestellt. Wir hoffen sehr, dass beide Projekte in 2023 fertiggestellt werden können.

 

Weiterhin werden Mittel für folgende großen Investitionsmaßnahmen bereitgestellt:

 

  • Sanierung oder Neubau Bürgerhaus Krumbach im Rahmen der Dorfentwicklung
  • die Erweiterung des Familienzentrums Kita Königsberg im Rahmen der Dorfentwicklung

 

Für die Dorfentwicklung sind – wie schon im vergangenen Jahr – 1.000.000 € im Haushalt 2023 eingestellt.

 

Weiterhin sind eingestellt:

 

  • Straßenbaumaßnahme „Am Berg“ Fellingshausen (600.000 €)
  • Sanierungsmaßnahmen Sporthalle (weitere 100.000 €)
  • Sanierungsmaßnahmen Hallenbad (750.000 €)
  • Kunstrasenplatz (500.000 €)

 

Auch dem Thema „Hochwasserschutz“ nimmt sich der Haushalt 2023 an. 50.000,00 € sind für Planung eingestellt. Mit konkreten Maßnahmen soll in 2024 begonnen werden.

 

Insgesamt sind im Haushalt 2023 Investitionen in Höhe von rd. 8,1 Mio. € eingestellt. Dem stehen Investitionszuschüsse von rd. 3,4 Mio. € gegenüber. Somit müssen zur Finanzierung der Investitionen Kredite in Höhe von rd. 4,7 Mio. € aufgenommen werden. Hierbei ist allerdings zu bedenken, dass es sich hierbei nicht um Kredite zur Deckung laufender Verwaltungstätigkeit handelt, sondern um Gelder, um die notwendigen Infrastrukturmaßnahmen durchzuführen, die für die Zukunft Biebertals unerlässlich sind.

 

Die vorstehenden Ausführungen zeigen nach Ansicht der Kooperation, dass mit der Umsetzung bereits begonnener und neuer Projekte große Belastungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung verbunden sind. Mit der Vorlage des Haushaltsentwurfs in der jetzigen Form ist dem politischen Willen der Kooperation umfassend Rechnung getragen worden. An dieser Stelle dankt die SPD-Fraktion, dankt die Kooperation, dem Gemeindevorstand für seine geleistete Arbeit. In der Konsequenz verzichtet die Kooperation bewusst darauf, Anträge für zusätzliche Projekte zu stellen.

 

Nach den letzten Änderungen wies der Ergebnishaushalt im ordentlichen Ergebnis einen Fehlbetrag in Höhe von rd. 230.000 € aus. Allerdings konnte die Gemeinde Biebertal aufgrund der sehr guten Ergebnisse der Haushaltsjahre 2019 bis 2021 Rücklagen bilden. Diese Rücklagen können jetzt dafür verwendet werden, den Fehlbetrag aufzufangen. Somit gilt gemäß § 92 Abs. 5 Nr.  1 HGO der Ergebnishaushalt 2023 dennoch als ausgeglichen.

 

Anders hingegen sieht es im Finanzhaushalt aus. Hier liegt eine Liquiditätsunterdeckung in Höhe von rd. 370.000 € vor, da die Finanzierung der ordentlichen Tilgungsleistungen durch Zahlungsmittelüberschüsse aus laufender Verwaltungstätigkeit fehlt. Damit gilt der Haushalt 2023 im Finanzhaushalt als nicht ausgeglichen. Demzufolge hätte die Gemeinde Biebertal gemäß § 92a Abs. 1 HGO ein Haushaltssicherungskonzept aufzustellen. Lediglich die Regelung im Hessischen Finanzplanungserlass erlaubt es der Gemeinde Biebertal, auf die Aufstellung eines Haushaltssicherungskonzepts zu verzichten. Dies ist dann möglich, wenn ausreichend ungebundene Liquidität vorhanden ist, um die Unterdeckung des Finanzhaushaltes zu decken. Nach derzeitigem Sachstand kann davon ausgegangen werden, dass ausreichend „ungebundene Liquidität“ im Sinne des Erlasses vorhanden ist und auf die Aufstellung eines Haushaltssicherungskonzeptes verzichtet werden kann. Für die Kooperation ist unabdingbar, dass die Haushaltswirtschaft der Gemeinde Biebertal so ausgerichtet sein muss, dass ein Haushaltssicherungskonzept entbehrlich ist. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Energiekostenbeiträge für Vereine mit all ihren sozialen Verwerfungen und die geplante „Pferdesteuer“. Das eine hat die Gemeindevertretung aus gutem Grunde wieder abgeschafft, das andere wurde nie eingeführt.

 

  • 5 der Haushaltssatzung 2023 sieht eine Erhöhung des Hebesatzes der Grundsteuer B von 600 auf 650 Punkte vor.

 

Die Gemeindevertretung hat in ihrer letzten Sitzung den Haushaltsentwurf 2023 nicht, wie vorgesehen, beraten. Sich abzeichnende konkrete Änderungen bei den Finanzdaten (Stichwort: Kreisumlage) machten dies aus Sicht der Kooperation notwendig. Schon bei der Beratung des Haushaltsentwurfs 2023 in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am 23.11.2022 hat die Kooperation sehr deutlich gemacht, dass ihr die Entscheidung, den Hebesatz der Grundsteuer B von 600 auf 650 Punkte zu erhöhen nicht leicht fällt. Die SPD-Fraktion, aber auch die Kooperation insgesamt, haben es sich mit der Entscheidung für oder gegen eine Erhöhung nicht leicht gemacht und haben das Für und Wider immer wieder abgewogen. Das galt schon bei der letzten Beratungsrunde und gilt auch noch jetzt.

 

Es gibt gute Gründe für die vom Gemeindevorstand um Bürgermeisterin Patricia Ortmann vorgeschlagene Erhöhung der Grundsteuer B. Es gilt, die unterschiedlichsten Faktoren zu berücksichtigen.

 

Für die SPD-Fraktion ist eine gute Kinderbetreuung sehr wichtig. Eine gute Kinderbetreuung zeichnet sich dadurch aus, dass ausreichend Personal vorhanden ist.

Kindergartengebäude und -einrichtung müssen den Anforderungen moderner Kinderbetreuung entsprechen.  Weiterhin hat die SPD-Fraktion maßgeblich mit dazu beigetragen, dass die Kindergartengebühren nicht wie geplant zum 01.01.2023 erhöht worden sind. Das kostet.

 

Auch steht die SPD-Fraktion voll und ganz hinter der eingangs erwähnten Schaffung von 2 zusätzlichen Stellen im Bürgerbüro und in der Bauabteilung. Die Fülle von Baumaßnahmen und Liegenschaften erfordert eine leistungsfähige Bauverwaltung. Das Bürgerbüro ist die ureigenste Anlaufstelle zur Erledigung vieler Angelegenheiten der Bürgerinnen und Bürger. Ein gut funktionierendes Bürgerbüro steht für eine bürgernahe Verwaltung. Auch hier gilt es, den personellen Rahmen zu schaffen. Das kostet.

 

Weiterhin steht die SPD-Fraktion hinter der Beschlussfassung, grundhafte Straßenerneuerungen nicht mehr durch Straßenbeiträge zu finanzieren. Letztlich erfolgt die Finanzierung über Kredite.

 

Gemäß Entwurf Haushaltsplan 2023 erreichen die Kredite nur für die Gemeinde Biebertal ohne Gemeindewerke am Ende des Haushaltsjahres 2023 rd. 26,0 Mio. €. In den vergangenen Jahren konnte die Gemeinde Biebertal im Zuge der Niedrigzinsphase ihre Kredite relativ kostengünstig bedienen. Doch jetzt sind die Zeiten von Null- und Negativzinsen – zumindest vorläufig – vorbei. Gemäß den Haushaltsplandaten steigt der Zinsaufwand von rd. 200.000 € in 2022 auf rd. 750.000 € in 2026. Geld, das die Gemeinde Biebertal erst einmal „verdienen“ muss.

 

Nach Ansicht der SPD-Fraktion sind die genannten Gründe dazu geeignet, eine Erhöhung des Hebesatzes der Grundsteuer B von 600 auf 650 Punkte vertretbar und angemessen erscheinen zu lassen.

 

Jedoch hat die SPD-Fraktion schon in der letzten Sitzung der Gemeindevertretung am 30.11.2022 betont, dass es vorstellbar ist, es bei dem derzeitigen Hebesatz der Grundsteuer B bei 600 Punkten zu belassen, wenn es finanziell darstellbar ist. Nun hat der Kreistag des Landkreises Gießen in seiner Sitzung am 12.12.2023 beschlossen, die Kreisumlage um einen Prozentpunkt zu senken. Dies bedeutet für die Gemeinde Biebertal eine Entlastung im Ergebnishaushalt um rund 157.000 €. Unter Berücksichtigung des Verzichts auf die Erhöhung der Grundsteuer B (= rd. 140.000 €) weist der Ergebnishaushalt einen Fehlbetrag in Höhe von rd. 213.000 € aus. Angesichts der Belastungen der Biebertaler Bürgerinnen und Bürger durch hohe Inflation und hohe Energiepreise sowie die kürzlich beschlossene Gebührenerhöhung bei Wasser und Abwasser ist nach Ansicht der SPD-Fraktion ein Verzicht auf die Erhöhung der Grundsteuer B vertretbar. Zumal am 16.12.2022 das KiTa-Qualitätsgesetz den Bundesrat passiert hat und Biebertal bei den Aufwendungen für die Kinderbetreuung mit Entlastungen rechnen kann. Positiv stimmt zudem die prognostizierte Entwicklung der Steuern und Zuweisungen. Hier zeichnet sich eine Stabilisierung auf recht hohem Niveau ab.

Darüber hinaus wird gemäß der längerfristigen Finanzplanung ab 2024 wieder mit einem Plus im ordentlichen Ergebnis gerechnet.

 

Ein Fehlbetrag im Ergebnishaushalt in Höhe von rd. 213.000 € gefährdet wohl auch nicht die Haushaltsgenehmigung durch die Kommunalaufsicht. Auch dies ermöglicht es der SPD-Fraktion, auf eine Erhöhung der Grundsteuer B zu verzichten.

 

Die SPD-Fraktion ist der Meinung, dass es der Ehrlichkeit gegenüber den Biebertaler Bürgerinnen und Bürger gebietet, auf die prekäre Situation der Biebertaler Finanzen hinzuweisen. Ein deutlicher Hinweis auf die angespannte Haushaltslage ist die Bewertung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Gemeinde Biebertal im Finanzstatusbericht. Dieser liegt jetzt bei 55 Punkten. Mit dem aktuellen Wert wird Biebertal eine gefährdete bzw. angespannte finanzielle Leistungsfähigkeit attestiert. Risiken sind unter anderem die Entwicklungen bei den Zinsen. Hohe Aufwendungen stehen auch im Rahmen der Dorfentwicklung ins Haus.  Zudem müssen wir aufpassen, dass aus der Notwendigkeit zum Sparen notwendige Erhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen nicht immer wieder verschoben werden. Dies kann langfristig zu noch höheren Kosten für die Gemeinde Biebertal führen. Notwendige Mittel müssen bereitgestellt werden, was den Haushalt zusätzlich belasten kann. Steuererhöhungen sind natürlich nur das allerletzte Mittel.

 

Der Haushalt 2023 setzt trotz schwieriger Rahmenbedingen weiterhin auf eine  zielgerichtete, an sozialen, ökologischen, ökonomischen Gesichtspunkten orientierte Entwicklung Biebertals.

 

Die SPD-Fraktion wird daher dem Haushaltsentwurf zustimmen.

 

Die bisherigen Beratungen in den Ausschüssen lassen hoffen, dass auch die „Freien Wähler“ dem Haushaltsentwurf zustimmen. Eine Zustimmung aller Fraktionen zum Haushaltsentwurf 2023 in der Gemeindevertretung ist ein deutliches Zeichen nach außen, dass alle politischen Strömungen in Biebertal, trotz manch unterschiedlicher Auffassungen, letztlich zum Wohle Biebertal an einem Strang ziehen.

 

Abschließend möchte ich mich im Namen der SPD-Fraktion bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gemeindeverwaltung, bei Frau Bürgermeisterin Ortmann, dem Gemeindevorstand, aber auch trotz einiger Irritationen bei den Kolleginnen und Kollegen der Gemeindevertretung für die konstruktive und sachorientierte Arbeit im Rahmen der Aufstellung des Haushalts 2023 bedanken.

 

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

 

 

Wolfgang Lenz

Fraktionsvorsitzender der SPD-Fraktion